Endlich konnte ich auch mal einen Blick in das "heilige Reich" von Shimano Europe werfen. Ich bin dort sehr herzlich und freundlich empfangen worden, durfte viele Abläufe und noch mehr nette Menschen kennenlernen. Wenn ihr mich auf meinem Rundgang in der Shimano-Zentrale begleiten möchtet, müsst ihr diesen Artikel lesen....
Und wieder stand eine Anreise mit dem Auto an. Doch so langsam weiß ich es zu würdigen, dass die "fangplatz-Zentrale" im schönen Ostwestfalen liegt. Sehr viele Ziele sind innerhalb von 2-3 Stunden erreichbar. Man muss vor Antritt der Fahrt eigentlich nur die Himmelsrichtung bestimmen und nach 2,5 Stunden steht man vor irgend einer Angel-Tür. ;-)
Dieses Mal ging es Richtung Westen nach Nunspeet in die Niederlande. "Wo bin ich denn hier gelandet?" dachte ich mir als ich in den Ort hinein fuhr. Denn Nunspeet ist eher eine Mini-Stadt, in der man Landwirte, glückliche Kühe und eine "Bimmelbahn" erwartet, aber sicher keine Europa-Zentrale von Shimano. Irgendwie schlich in mir plötzlich der Gedanke empor, dass mein Routenplaner evtl. den falschen Ort heraus gesucht hatte, denn vor Fahrtbeginn habe ich auf die Postleitzahl bei der Ortsangabe großzügig verzichtet.
Als mir dann aber die großen blauen Buchstaben des Firmenlogos im Morgenlicht entgegen strahlten, wusste ich, dass ich doch richtig war. Die Fassaden-Front sah "Shimano-like" - also sehr übersichtlich und geräumig - aus. Dass sich dahinter ein Riese verbergen sollte, werde ich erst eine Stunde später erfahren.
Schnell hatte ich den Wagen geparkt und war in das Gebäude geflitzt, so war ich auf die Minute pünktlich. Schon das ist bei mir ein Feiertag! ;-)
Als ich die Eingangshalle betrat, musste ich erst mal anhalten. Eine edel in grau gestaltete Halle öffnete sich mir. Am linken Ende war der Empfangsbereich. Eine zierliche nette Dame stand hinter einem riesigen Tresen, wodurch sie noch kleiner wirkte. Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte sie mich schon: "Sie sind also Herr Schumm?!" fragte sie mich. "Einen Moment bitte..." Ich nutze die Wartezeit und ging durch den Raum. Von allen Wänden erstrahlte einem die Erfahrung gepaart mit den Erfolgen des Unternehmens entgegen. Zum Beispiel hängt hier von Lance Armstrong das gelbe Trikot der letzten Tour de France. Natürlich mit Danksagung und Autogramm. Daneben befindet sich das eine oder andere Siegertrikot von anderen großen Radrundfahrten. Aufgelockert wird die Trikot-Galerie durch hübsche Kunstwerke. Auch hier ist der Shimano-Stil sofort erkennbar. Nicht nur die Produkte haben ein eigenes Flair und fallen durch ihr extravagantes und edles Design auf, auch in der Wirkungsstätte selbst wird großer Wert auf die künstlerische Seite gelegt. Sei es das Kunstwerk vor - oder die Gemälde im Gebäude.
Nachdem ich mich gerade in der Halle umgesehen hatte kam schon Petra Krichel, Marketing-Leiterin für Shimano-Deutschland. Nachdem wir uns einen Kaffee in der riesigen Mitarbeiter-Wohnküche geholt hatten, gingen wir in den Schauraum.
Tatsächlich! Wie von mir immer vermutet, stehen die Rad- und die Angelprodukte in trauter Eintracht nebeneinander. Das spiegelt auch die fachübergreifende Anwendung der Technik bei Shimano wieder. Wenn Lance Armstrong also die Tour mit neuen Kugellagern in seinem rad gewinnt, bedeutet das auch eine Qualitätsverbesserung für unsere Angelrollen, denn die selben Kugellager werden dann auch mit in sie eingebaut, wenn sie sich bei den Rad-Profis bewährt haben. Das selbe gilt natürlich auch umgekehrt. "Das ist eines der Grundprinzipien bei Shimano. Beide Bereiche sollen voneinander profitieren, nur so können wir unsere Qualitätsmaßstäbe dauernd steigern. Andere Unternehmen haben da eher ein sehr eingeschräntes Experimentierfeld und daher auch nicht diese Qualität wie Shimano", erklärte mir Petra Krichel.
Dimension-X: Das Versand-Lager.
Nachdem wir uns gemeinsam im Schauraum die Neuigkeiten für 2006 angesehen hatten (s. den Extra-fangplatz-Bericht) ging es in das Reich des Shimano-Versandes.
Ich hatte das Gefühl, ich betrete einen Ameisenhaufen. Überall liefen Menschen umher und waren mit irgendetwas beschäftigt. Einer von ihnen, Hans van der Laan, zeigte uns die Hallen und erklärte mir die Arbeitsabläufe. Ich war absolut beeindruckt! Wer einmal bei Ikea in der Lagerhalle stand, kann sich annährungsweise die Dimensionen hier vorstellen. Bei Shimano lagern die Angel- und Fahrrad-Geräte in drei Stockwerke hohen Regalen. Eine ganze Regalstadt wurde so errichtet, in der riesige Gabelstapler dafür sorgen, dass die Produkte bei vorliegenden Bestellungen aus ihrem Lagerfach in den Versand gelangen.
Der Computer ist hier allgegenwärtig. Jeder Mitarbeiter ist mit einem Barcode-Sender ausgerüstet. Dieses Gerät übermittelt ihm seine zu erledigenden Bestellungen. So wird der Ablauf von jeder einzelnen Order elektronisch kontrolliert. Höhepunkt der Shimano-Lagerverwaltung ist neben der Software aus meiner Sicht, ein drei Stockwerke hoher "Rutenfahrstuhl". Er funktioniert ähnlich wie ein Paternoster-Fahrstuhl in einem Bürohaus. Auf 2 mal 40 Etagen befinden sich Ablagekästen für die unterschiedlichen Rutenmodelle. Meistens passen die Ruten von vier unterschiedlichen Modellen auf eine Etage. Wird eine bestimmte Rute gesucht, so wird deren Artikelnummer in den Paternoster eingegeben. Auch das funktioniert wieder mit dem praktischen Handgerät der Mitarbeiter. Daraufhin setzt sich der Paternoster in Bewegung und wie von Geisterhand öffnet sich dann ein Fach mit den gewünschten Ruten. Damit alle Shimano-Ruten auch von diesen Geräten aufgenommen werden können, gibt es gleich 6 Stück davon, die auf zwei Etagen bedient werden können. Also in Zahlen: 6x80 Etagen mit je 4 Fächern. Macht zusammen 1920 Rutenfächer, die von 12 Personen gleichzeitig bedient werden können - Gigantisch!!!
In der Regel durchläuft eine Bestellung vier Stationen bis sie letztendlich zum Kunden verschickt wird. Der Computer gibt dabei immer vor, wo das bestellte Teil liegt, in welchen Karton es gepackt werden muss und ob alle Teile für die Bestellung zusammen sind. "Es ist praktisch unmöglich, dass ein bestelltes Teil nicht mit im Paket ist!" erklärt mir Hans. - Klar, vier Mitarbeiter kontrollieren die Bestellung und dann ist dort ja auch noch der Computer, der den Prozess überprüft. Bevor das Paket verschickt wird, überprüft er dann noch das Versandgewicht, ob es mit dem zusammenaddierten Gewicht der bestellten Artikel übereinstimmt. Das ist der Versandhandel des 21. Jahrhunderts! Bei mir, als Software-Entwickler, schlägt das Herz bei diesem Anblick natürlich einen Schlag schneller. ;-)
Für manche Kunden wird aber auch eine Ausnahme in der Abwicklung gemacht. Sind nämlich die Bestellungen zu umfangreich, dann ist ein Mitarbeiter einen ganzen Tag (!!!) nur damit beschäftigt, die georderten Artikel individuell zusammen zu stellen. Am Ende stehen einige Paletten mit den schönsten Shimano-Artikel zum Versand bereit. "Meistens gehen die dann nach Russland, aus Deutschland bekommen wir eher kleinere Bestellung", erfahre ich von Hans.
Bei so viel Technik und so vielen Menschen, die nur mit dem Versand zuständig sind, kommt mir als kleiner Angler natürlich gleich die Frage: "Hier werden doch sicher mehr Fahrrad-Utensilien verpackt als Angelgeräte?" "Ne, ne" erwiderte mir Hans, "Das hält sich ziemlich die Waage. Natürlich ist es saisonabhängig, aber mal liegen die Angler mit 60% vorne und mal die Radfahrer."
Gerade die Angelabteilung ist daran Schuld, dass Shimano ganz gehörig aufstocken muss. "Das Angeln expandiert gewaltig" schildert mir Hans, "daher bauen wir eine weitere gleichgroße Lagerhalle!" Wow, das hier wird also alles noch viel größer! Unglaublich und die ersten Fundamente stehen schon. In 6 Wochen soll alles fertig! Dann stehen dem Material komfortable 6.000 Quadratmeter zur Verfügung. Also haben auch die Bauarbeiter bei Shimano jede Menge zu tun.
Es gibt aber auch feine Handarbeit! Die Shimano-Reparaturabteilung.
Ich hatte immer angenommen, dass Shimano defekte Rollen einfach austauscht. Doch weit gefehlt! Reklamationen oder defekte Rollen werden in der eigens eingerichteten Reparatur-Werkstatt repariert. Bert van Heerde, natürlich begeisterter Angler ("Ich liebe das Raubfischangeln und das Big-Game-Angeln") flickt die defekten Rollen mit seinem Kollegen Marco Witter wieder zusammen. Wenn ihr also eine kaputte Rolle habt und sie eingeschickt wird, dann landet sie garantiert bei Bert oder Marco auf dem Tisch. Wir haben gemeinsam zwei Rollen repariert. Es ist unglaublich, wie schnell Bert die Dinger auseinander und wieder zusammengesetzt hat. Ich würde für solche Aktionen einen Abend einplanen. Bei Bert sind es Minuten. ;-)
Aber hier wird nicht nur repariert. "Wir bekommen oft auch Wartungs-Aufträge" erklärt mir Bert. "Wenn die Angler in den Urlaub fahren, möchten sie ganz sicher gehen, dass die Rolle perfekt überprüft und eingestellt ist. Auch diese Fälle bekommen wir hier in die Werkstatt".
Dieser Shimano-Service hat mich absolut überzeugt und zeigt auch, weshalb eine Shimano-Rolle immer einen Ticken kostspieliger ist als andere Modelle. Der Service und die Infrastruktur bezahlt man natürlich immer ein wenig mit. Aber das ist mir so lieber, als dass ich nach zwei Jahren keine Ersatzteile mehr für mein gutes Stück bekomme. Andere denken ganz ähnlich, denn sonst würde Shimano ja nicht so wachsen... ;-)
Ein rekordverdächtiges Ersatzteillager.
Ersatzteile für zerbrochene Ruten sind oft ein großes Problem für die Angel-Labels. Natürlich kann auch Shimano nicht für jede Rute der letzten Jahre das passende Teil sofort griffbereit haben. Aber für die gängigsten Modelle der letzten Jahre steht eine Ersatzteile-Wand von 70x33 (=2310) Rohren griffbereit. In jedem Rohr ruhen fein säuberlich sortiert die Rutenteile der jeweiligen Modelle. Natürlich habe ich den Test gemacht! Ich wollte das 3. Teil meiner BeastMaster Carp Competition haben. Eine Eingabe in den Computer brachte die Rohrposition an der Wand zutage und schon hielt ich mein neues Teil in der Hand. Damit die Angestellten auch alle Teile erreichen können, gibt es eine eigens für die Wand angefertigte Rollleiter. Sollte ein Teil dann doch nicht da sein, wird es über das Computer-System automatisch in Japan geordert.
So wie die Ersatzteile der Ruten sauber sortiert sind, sieht es auch bei den Ersatzteilen der Rollen aus. Endlos lang erscheinende Schränke mit noch mehr Schubladen beherbergen für jeden Rollentyp das richtige Schräubchen oder das richtige Kugellager. Und wenn irgendein Fach einmal leer wird, dann bestellt der Computer automatisch wieder Nachschub! Der kommt tagtäglich mit den neuen Teilen an. Endlose Paletten waren es am heutigen Tag. So dass am Morgen schon jedem der Mitarbeiter klar war, dass es viel zu packen geben wird...
Was mir persönlich bei Shimano gefallen hat, war die freundliche, engagierte Atmosphäre. Man sah einfach jedem Mitarbeiter an, dass er gerne für dieses Unternehmen arbeitet. Und man merkt es an jeder Ecke, dass jeder engagiert bei der Sache ist. Dieses Engagement ist bis zu den Endprodukten zu spüren. Nicht umsonst gehören die Shimano-Produkte im Rad- und Angelsport zu den zuverlässigsten und beliebtesten Geräten, die die erfolgreichsten gerne nutzen. Damit wären wir wieder beim gelben Tour-de-France-Trikot von Lance Armstrong und seinen Danksagungen an Shimano...