Neben den Rigs, also den Hakenvorfächern, stellen die Formen der Bleie den Laien sicherlich am schnellsten vor ein großes Rätsel. Wofür werden sie benötigt, haben sie einen Sinn oder ist das alles nur einer gewissen Mode oder dem individuellen Geschmack unterworfen?
Berechtigte Fragen. Wir können den Fragesteller beruhigen. Es steckt kein Marketing-System dahinter, denn jedes Blei hat durchaus seine Vor- aber dann natürlich auch seine Nachteile. Doch alles der Reihe nach.
Die Bleie beim Karpfenangeln müssen mehrere Aufgaben erfüllen. Natürlich sollen sie, wie bei jeder anderen Angeldisziplin, als Wurf-Beschwerung dienen, sonst bekommen wir unseren Köder samt Rig nicht an den Angelplatz. Mehr Anforderungen haben anderen Angeldisziplinen nicht an das Blei. Folglich angelt man mit nur so großen Bleigewichten, wie man zum Erreichen der Angeldistanz benötigt. Hier ist der Grundsatz: „Leichter ist Mehr“.
Beim Karpfenangeln erfüllt das Blei aber noch eine zweite, fast wichtigere Aufgabe. Es dient als der entscheidenden Widerstand beim Biss, so dass der Haken der Selbsthakmontage sich auch sofort in die Lippe des Fisches bohrt, wenn er den Köder eingesaugt hat und sich erschrocken von ihm abwenden und ausspucken möchte. Hier muss das Blei neben seinem Eigengewicht auch eine maximale Bodenhaftung mitbringen. Jetzt kommt die Blei-Form ins Spiel und das ist der Grund, weshalb Karpfenangler auch mit ihrem Boot ausgefahrene Köder mit mindestens 80 gr. Bleien auslegen.
Egal, welches Bleigewicht ihr in welcher Tiefe verwendet. Alle Bleie sollten so behandelt sein, dass sie sich dem Untergrund möglichst gut anpassen und zum Beispiel bei Sonneneinstrahlung nicht spiegeln oder reflektieren und so die scheuen Karpfen misstrauisch machen.
Das sind die Gründe, weshalb ihr auch meist grün lackierte Bleie im Fachhandel vorfindet. Ganz extreme Experten fischen sogar mit Kieselsteinen als Beschwerung, um eine maximale Tarnung zu erhalten. Alternativ gibt es aber gibt auch Bleie, die Pflanzenimmitate aufgeklebt haben oder im Sand-Layout angeboten werden.
Zu diesen wichtigsten Bleieigenschaften kommen natürlich noch Zusatzwünsche, wie besondere Flugeigenschaften für weite Würfe, Abtriebunanfälligkeit in Fluss-Strömungen, schnelle Aufsteigfähigkeiten beim Einholen usw...
Wir können die Karpfenblei grob in zwei Familien einteilen:
In-line-Bleie:
Sie haben quer durch ihren Körper ein Loch gebohrt, in das mittels eines Kunststoff-Röhrchens die Hauptschnur gezogen wird. Alle Karpfenblei-Systeme sind mit durchdachten Kunststoff-Systemen ausgestattet, so dass z.B. das Blei ausgetauscht werden kann ohne die komplette Montage aufzulösen. Aber sie sind auch so beschaffen, dass es sich während des Drills durchaus von der Hauptschnur selbst lösen kann, wenn es sich im Kraut verfangen hat. Auch ein evtl. abgerissener Karpfen kann sich später des lästigen Bleis entledigen. Hier denken Karpfenangler wesentlich weiter als viele andere Angler.
Wirbel-Bleie:
Sie haben mehr oder weniger stark ausgeprägte Ring-, Torpedo-, oder Tropfen-Formen und werden mit einem Wirbel an der Karpfen-Montage befestigt. Diese Bleie haben gegenüber den In-Line-Bleien ganz deutlich ihre Nachteile in der Bodenhaftung. Sie kommen zum Einsatz, sobald auf Kosten der perfekten Bodenhaftung Zusatz-Wünsche erfüllt werden sollen, wie besondere gute Flugeigenschaften für weite Würfe, Abtriebunanfälligkeit in Fluss-Strömungen, schnelle Aufsteigfähigkeiten beim Einholen, schnelles Lösen bei Krautkontakt usw...
Flat Pear In-line Lead -- der Klassiker
Eigenschaft: Flach gedrücktes Tropfenblei mit Kunststoff-Innenführung für die Schnur. Es legt sich mit einer seinen flachen Seiten fest auf den meist harten Untergrund und saugt sich dort fast ein wenig an. Seine Form vereint das Gesamtgewicht auf einen möglichst kleinen Körper, was den Widerstand bei der Selbsthakmethode enorm intensiviert. Der Kunststoff-Einsatz ist meist so im Durchmesser gewählt, dass man dort einen 8er-6er Wirbel problemlos feststecken kann. So ist das Blei auf der Hauptschnur fixiert.
Einsatzfeld: Abschüssige, bis ebene, harte und hindernisfreie Gewässer-Untergründe (z.B. Sandboden oder auch an abschüssigen Kanten, wo andere Blei abrollen würden), die in kurzen Wurfdistanzen liegen (bis 30 m).
Dumpy In-line Pear Lead
Eigenschaften:Tropfenförmiges In-line Blei. Es versinkt etwas in weichem Untergrund und leistet dort so beim Biss einen ordentlichen Widerstand. Seine Form vereint das Gesamtgewicht auf einen möglichst kleinen Körper, was den Widerstand bei der Selbsthakmethode enorm intensiviert. Der Kunststoff-Einsatz ist meist so im Durchmesser gewählt, dass man dort einen 8er-6er Wirbel problemlos feststecken kann. So ist das Blei auf der Hauptschnur fixiert.
Einsatzfeld: Weicher Untergrund mit der Tendenz zu Schlamm. Die Angelstelle sollte in kurzer Wurfdistanz liegen (bis 30 m). Dieses In-line Blei eignet sich am ehesten beim Fischen in Seerosenfeldern oder im Kraut.
Torpedo Lead:
Eigenschaften: Bei dem Torpedo Lead wurde ein wenig von allem verwirklicht. Es hat die schlanke Form eines Weitwurfbleis (s. weiter unten), die für den Selbsthakmechanismus optimale In-line-Führung (im Kunststoffröhrchen) der Schnur und flache Seiten, mit denen sich das Blei ein wenig am Grund festsetzen kann. Der Kunststoff-Einsatz ist meist so im Durchmesser gewählt, dass man dort einen 8er-6er Wirbel problemlos feststecken kann, womit das Blei fest auf der Hauptschnur sitzt.
Einsatzfeld: Das Torpedo-Lead eignet sich am ehesten für den Einsatz auf festen Untergründen in die es mit seinem Gewicht nur ganz wenig einsinken kann. Bedingt durch seine Form, kann es weiter geworfen werden als ein In-line Pear Lead oder ein Flat Pear Lead und bietet auch weniger Strömungswiderstand als diese Blei-Formen.
Unter den Wirbelbleien gibt es wahre Meterfresser. Sie werden mit ihrem Wirbel an der Hauptschnur befestigt. Beim Wurf ziehen sie die Montage förmlich hinter sich her, so dass man auch weitere Angelplätze (weiter als 50 m) mit Rutenwürfen erreichen kann. Ihre Formen sind speziell für geringe Windwiderstände gewählt, so dass uns hier kleine Oliven, Tropfen oder Torpedo-Formen begegnen.
Wirbelbleie werden auch gerne in hindernisreichen Gewässern verwendet. Die speziellen Montagen ermöglichen es, dass ein in Wasserpflanzen oder Unterholz verfangenes Blei bei Zug durch den Fisch oder den Angler einfach abfallen kann. Das kann beim Einholen oder aber auch beim Karpfendrill geschehen. Im letzteren Fall kann der Karpfen meist weiter gedrillt werden, nachdem das Blei losgerissen wurde. Wir findet in dieser Familie auch Formen, die wir von den In-Line-Bleien kennen.
Distance Lead
Eigenschaften: Das Distance Lead ist eine ganz dünn geformte Olivette. Sie eignet sich für extrem weite Würfe. Das Distance Lead bohrt sich gerne in schlammige Untergründe und kann, wenn der Schlamm zu dick und weich ist, auch den Haken mit dem Boilie mit sich ziehen (Achtung!).
Einsatzfeld:Weit entfernte Angelplätze mit festem Untergrund. Bei festen Untergründen versinkt es bedingt durch seine Form mit der unteren dickeren Hälfte im Boden und bietet so einen guten Widerstand bei der Selbsthakmethode. Ein Nachteil ist, dass es gerne beim Biss umkippt wenn es nicht im Grund tief genug steckt. Dann gibt es dem Karpfen beim Biss frühzeitig ein Widerstands-Signal, was dazu führt, dass der Karpfen den Köder ausspuckt ohne dass der Haken in der Lippe fassen kann. Gerade in Gewässern mit hohem Angeldruck kann sich das negativ auswirken. Wenn ihr das Distance Lead einsetzt seid also sicher, dass der Grund so beschaffen ist, dass es mindestens bis zur Hälfte im Untergrund steckt.
Stubby Leads
Eigenschaften: Dabei handelt es sich um die klassische Blei-Olivette. Das Stubby Lead ist ein Allroundblei für hindernisreiche Untergründe. Seine längliche Form lässt sich weit mit der Rute katapultieren, wobei die gedrungene Form ein zu tiefes Absinken in den Schlamm eher verhindert als beim Distance Lead.
Einsatzfelder: Die Stärken liegen in mittleren Angeldistanzen mit weichem Untergrund und einigen Hindernissen. Stubby Leads igenen sich als wirbelbleie am besten für Heli-Rigs, Chod Rigs.
Flat Pear Lead
Eigenschaften: Das Flat Pear Lead ist das mit Wirbel versehene Äquivalent zum Flat Pear In-line Lead. Es ist bei harten Untergründen ideal, wo es sich mit seinen flachen Seiten etwas ansaugen kann und so dem Karpfen beim Selbsthaken einen maximalen Widerstand bietet.
Einsatzfelder: Angeln in der Nahdistanz und bei hartem Untergrund mit einigen Hindernissen.
Dumpy Lear Lead
Eigenschaften: Das Dumpy Pear Lead ist das mit Wirbel versehene Äquivalent zum Dumpy In-line Pear Lead. Es ist rund geformt und sinkt etwas in weichen Untergründen ein, was wieder – ihr ahnt es schon – den Widerstand beim Biss verbessert.
Einsatzfelder:Angeln in der Nahdistanz und bei weichem, aber nicht zu schlammigen Untergrund.
River Lead
Eigenschaften: Das River Lead ist im Grunde ein Distance Lead, was flach gedrückt ist und mit Flügeln versehen wurde. Es lässt sich weit werfen und bietet Strömungen nur minimalen Widerstand. Die speziellen Flügel ermöglichen es, dass das Blei die Montage im Wasser beim Einholen und beim Drill besonders schnell in obere Wasserregionen bewegt. So kann es Steinschüttungen, Muschelbänken oder Wasserpflanzen am Grund schneller aus dem Weg gehen als andere Bleiformen.
Seine längliche spitze Form sorgt zudem dafür, dass es sich in mäßig weichem Untergrund mit der unteren, schwereren Bleihälfte in den Boden bohrt und somit den Selbsthak-Effekt der Karpfenmontage enorm verstärkt.
Einsatzfelder:Weite Angeldistanzen mit besonders vielen Hindernissen, Kanten, Steinschüttungen oder Krautbänken. Der Untergrund sollte etwas weich sein, damit es sich dort einbohren kann. Bei steinhartem Untergrund neigt das River Lead dazu, beim Biss umzukippen und den Karpfen misstrauisch zu machen, so dass das Einsaugen des Köders nicht zum Selbsthaken führt.
Noppen-Variationsvielfalten
Neben den oben beschriebenen Bleiformen gibt es noch einige Variationen, wie Flat Pear In-line Leads mit Noppen (s. Titelbild) oder in der Mitte ausgehöhlte Flat Pear Leads mit Noppen. Hierbei sollen die Noppen das Blei besser auf dem Boden fixieren, um wieder einen möglichst harten ersten Widerstand beim Selbsthaken des Karpfens zu erreichen.
Die Formen-Vielzahl ist bei den Karpfenbleien enorm. Generell gibt es die In-line-Bleie für Nahdistanzen bei hindernisfreien Bedingungen sowie die Wirbel-Varianten für weite Angeldistanzen bzw. bei Hindernissen. Hierfür gibt es dann auch spezielle Befestigungen, wie die Lead Clips.
Weiß man zudem einige Eigenschaften über den Gewässeruntergrund oder die Strömung, kann man zudem die Bleiform anpassen. Es ist also für jeden etwas dabei und jede Form hat eine Aufgabe. Sicher werdet ihr jetzt nicht mehr wahllos ein Blei nach eurem Geschmack im Angelhandel aussuchen, denn jetzt wisst ihr ja welche Bleiform für euer Angelplatz die beste Wahl ist. Eins haben alle Bleie aber gemeinsam: Ihr braucht einen ordentlichen Biss-Widerstand, sonst greift die Selbsthakmethode nicht! Mit Gewichten ab 60 gr., besser noch 85 gr. plus x seid ihr gut beraten.
Wir wünschen euch viel Erfolg!
Michael Schumm
Max Benner
Andi Weyel
Christian Graßhoff